Frau Perchta
Es war ein kalter 6. Januar, als ein armer Waldarbeiter auf dem Weg vom Hainfeld nach Stolberg war. Er wunderte sich, als er auf der Höhe der Hunrodeiche eine frierende alte Frau mit einer großen Kiepe am Wegesrand sitzen sah. „Was fehlt Euch, Mutterchen?“ fragte der gutmütige Mann. „Lasst mich helfen und Euch eure große Last abnehmen!“ Die in Lumpen gehüllte Frau lächelte und begleitete den Waldarbeiter, der langsam wieder seinen Weg aufnahm. Nach einer Weile fragte die Frau: „Junger Mann, was werden wohl die Tratschweiber in Stolberg dazu sagen, wenn Du einem alten Bettelweib den Korb trägst?“ – „Das soll mich nicht kümmern!“ antwortete der Mann und das Weib lächelte erneut. Und tatsächlich kam es so, dass man dem ungleichen Paar hinterher schaute und sich über sie lustig machte. Zu Hause angekommen wurden sie von seiner Frau herzlich empfangen. Schnell kochte diese eine warme Suppe und bot sie der alten Frau an. Dabei entschuldigte sie sich dafür, weil sie selbst nicht viel hatten und sie gerade in der letzten der Raunächte Speck, Brot und eine Schüssel Milch vor die Tür stellen mussten, damit sich Frau Perchta bei ihrem letzten Ritt mit der wilden Jagd stärken kann. Wieder lächelte die alte Frau, nickte zufrieden und sagte, dass sie sich nun verabschieden müsse und es den beiden ewig danken werde. Dann stand sie auf und verließ das kleine Häuschen.
Plötzlich wurde es draußen taghell und das Ehepaar wollte seinen Augen kaum trauen, als sie aus dem Fenster sahen. Da stand SIE, Frau Perchta, die Glänzende, in voller Pracht. Noch einmal drehte sie sich um und lächelte ein letztes Mal. Nun brauste die Luft und Wolkenmassen bewegten sich. Es kam das Wilde Heer und alle verneigten sich vor der leuchtenden Göttin. Diese erhob sich in die Lüfte und brauste mit ihrem Heer davon. Die letzte Wilde Jagd hatte begonnen.
Als sich das Ehepaar wieder gefasst hatte, stieß die Ehefrau ihren Mann an und zeigte auf die Kiepe des alten Weibes... Diese war bis obenhin mit Silberstücken gefüllt. Das hilfsbereite Paar musste nie mehr Hunger leiden und lebte glücklich bis an das Ende ihrer Tage.